Viele schwangere Frauen ernähren sich 6-8 Wochen vor dem Geburtstermin nach der Louwen Diät. Diese wurde von Dr. Prof. Louwen anhand von Beobachtungen in der Geburtshilfe begründet. Dabei werden in ihrer Ursprungsform Industriezucker und Weißmehl weggelassen.
Versprochen wird dadurch eine schmerzfreiere Geburt. Die Theorie dahinter ist, dass Insulin, das Hormon welches ausgeschüttet wird, wenn Kohlenhydrate verstoffwechselt werden und Prostaglandine an die gleichen Rezeptoren im Körper andocken. Prostaglandine sollen eine geburtsvorbereitende Funktion haben, die sie dann weniger ausüben können. Wissenschaftliche Belege am Menschen fehlen allerdings!
Wenn also für den Effekt auf Geburtsschmerzen keine Daten vorliegen, hat die Louwen Diät andere Vorteile?
In den Grundzügen ähnelt die Louwen Diät in der Ursprungsform einer „blutzuckerfreundlichen” Ernährung, da auf Zucker und Auszugsmehle verzichtet wird.
Eine Meta-Analyse (1) aus 11 Studien aus dem Jahr 2018 untersuchte den Effekt von einer Ernährung mit einem niedrigen Glykämischen Index (GI) auf mütterliche und kindliche Folgen. Der GI ist eine Maßeinheit, die angibt, wie schnell Kohlenhydrate in einem bestimmten Lebensmittel den Blutzuckerspiegel erhöhen können.
Diese 11 Studien wurden an unterschiedlichen Gruppen durchgeführt:
- 5 Studien: Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes oder Typ-2-Diabetes vor der Schwangerschaft
- 3 Studien normalgewichtige Frauen
- 1 Studie mehrgewichtige Frauen
- 1 Studie Frauen, die bereits ein Baby mit Makrosomie (Geburtsgewicht > 4000 g) auf die Welt gebracht haben
- 1 Studie Frauen mit höherem Risiko für Schwangerschaftsdiabetes
Dabei konnte ein signifikanter Unterschied auf folgende Outcome-Parameter bei Einhaltung einer Ernährung mit niedrigem GI festgestellt werden:
- geringerer mütterlicher Nüchternblutzuckerspiegel (allerdings nicht mehr signifikant, bei Frauen ohne Schwangerschaftsdiabetes)
- geringeres Geburtsgewicht (knapp signifikant)
- geringere Rate an LGA-Neugeborenen (Gewicht im Bezug auf das Gestationsalter)
Keine signifikanten Veränderungen zeigten sich im Hinblick auf:
- Gestationsalter bei der Geburt
- Kaiserschnittrate
- Verwendung von Insulin
- Gewichtszunahme in der Schwangerschaft
- Geburtsgröße
- Rate an Makrosomie (Geburtsgewicht > 4000 g)
- Kopfumfang
- Bauchumfang
- Makrosomie
- Frühgeburtenrate
- Geburtsperzentile
Insgesamt ist die Schlussfolgerung der Autor*innen, dass niedrig-GI-Diäten günstige Auswirkungen auf mütterliche Folgen haben, wenn ein erhöhtes Risiko für hohe Blutzuckerwerte vorliegt.
Extreme Formen der Louwen Diät
Im Internet finden sich unzählige Bilder, wie dieses von noch extremeren Formen der Louwen Diät. Dabei soll sogar auf gewisse Gemüse- und Obstsorten, wie Ananas, Banane, Mango, Melone, Papaya, Weintrauben, Kürbis, Karotten, Erbsen und Mais, verzichtet werden.
Warum genau diese Lebensmittel auch genannt werden, wundert mich nicht. Sie zeigen, dass, wer auch immer diese Idee hatte, nicht ausreichend über die Blutzuckerwirksamkeit von Lebensmitteln Bescheid weiß. Hier wird ein wichtiger Unterschied nämlich missachtet – Glykämischer Index (GI) und Glykämische Last (GL).
Die oben genannten Lebensmittel haben alle einen hohen Glykämischen Index, allerdings eine niedrige Glykämische Last. Was bedeutet das aber?
Der Glykämische Index ist ein Maß für den Blutzuckeranstieg, wenn ein Lebensmittel gegessen wird. Die Definition des glykämischen Index bezieht sich immer auf 50 g Kohlenhydrate in eben diesem Lebensmittel. Nun gibt es Lebensmittel, die einen hohen GI haben (z. B. die Wassermelone), die aber im Verhältnis recht wenig Kohlenhydrate enthalten. Um diese in Form von Wassermelonen zu sich zu nehmen, müsste man über 600 g (!!) davon essen.
Um den GI auf realistische Mengen anwenden zu können, ist die Angabe der glykämischen Last sinnvoller. Dieser Wert beschreibt die glykämische Gesamtbelastung einer tatsächlich verzehrten Portion.
Ein anschauliches Beispiel ist der Vergleich von Wassermelone und Reis, da beide einen ähnlichen hohen GI haben, aber eine sehr unterschiedliche GL. Eine Portion Wassermelone (120 g) hat beispielsweise eine glykämische Last von 5 und damit eine niedrige glykämische Last (< 10). Eine Portion weißer Reis (150 g) hingegen hat eine GL von 30 und damit eine hohe glykämische Last (> 20).
Selbst wenn also das Ziel ist sich blutzuckerfreundlich zu ernähren, machen diese Tabellen keinen Sinn. Viel mehr müssten Lebensmittel nach der Glykämischen Last eingeteilt werden und auch anhand von dem womit sie gegessen werden.
Vorteile und Gefahren der Louwen Diät aus Sicht einer Diätologin
Eine Zucker „normale” Ernährung entsprechend der Empfehlungen der WHO von <10 Energieprozent in der Schwangerschaft ist sehr wertvoll. Dennoch ist ein Verzicht auf Zucker in der Schwangerschaft nicht notwendig, um sich gesund zu ernähren. Vielmehr sollte die Menge beachtet werden, damit Zucker nicht andere nährstoffreiche Lebensmittel ersetzt.
Mahlzeiten „blutzuckerfreundlich” zu gestalten ist vor allem bei Schwangerschaftsdiabetes und für Frauen mit einem erhöhten Risiko, Schwangerschaftsdiabetes zu entwickeln, wie bei PCOS sinnvoll. Dabei können aber trotzdem noch immer Nudeln aus Auszugsmehl gegessen werden, denn häufig ist es nur eine Frage der Portionsgröße und der richtigen Kombination. So sorgen z. B. der Einbezug von protein- und ballaststoffreichen Lebensmittel für einen deutlich geringeren Blutzuckeranstieg.
Ich empfehle vor allem aber im Hinblick auf eine positive Beziehung zum Essen und zum eigenen Körper keine absoluten Verbote. Für mich sind Listen aus dem Internet, wo oben steht, was verboten und was erlaubt ist, ohnehin eine große Red Flag!
Da keine Daten abgesehen von anekdotischen Beobachtungen zum Effekt auf den Geburtsschmerz vorliegen, empfehle ich die Louwen Diät nicht.
Sehr problematisch finde ich es, wenn im Internet gewisse Obst- und Gemüsesorten dämonisiert werden, bei einem ohnehin zu geringen Obst- und Gemüsekonsum in Österreich. Sogar bei Schwangerschaftsdiabetes und Typ-2-Diabetes gibt es keine Empfehlung, gewisse Obst- und Gemüsesorten zur Gänze zu meiden.
Quellen
1: Zhang, R., Han, S., Chen, G. C., Li, Z. N., Silva-Zolezzi, I., Parés, G. V., Wang, Y., & Qin, L. Q. (2018). Effects of low-glycemic-index diets in pregnancy on maternal and newborn outcomes in pregnant women: a meta-analysis of randomized controlled trials. European journal of nutrition, 57(1), 167–177. https://doi.org/10.1007/s00394-016-1306-x